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Freitag, 22. Dezember 2017

Caspar David Friedrich Kalender am 22. Dezember 2017: Tod der Schwestermutter

Caspar David Friedrich: Gebirgslandschaft mit Regenbogen. 1810, Öl
auf Leinwand, 70 x 102 cm, Essen, Museum Folkwang

Am 22. Dezember 1808 starb Caspar David Friedrichs Schwester Dorothea Catharina Sponholz in Breesen bei Neubrandenburg. Für den Maler war die Pfarrersfrau der wichtigste Mensch in seinem Leben. Nach dem frühen Tod der Mutter (1781) hat die 15-jährige Schwester diese Rolle für den 7-jährigen Caspar David übernommen. Die Breesener Pfarrersfamilie war für Friedrich auch noch lange eine Ersatzfamilie, in der er sich mitunter monatelang aufhielt.

Caspar David Friedrich hat die Nachricht vom Tod der Schwester nicht in Dresden erreicht. In einem Brief, der etwa am 24. Dezember 1808 eintraf (eine Woche Zustellzeit), wurde ihm jedoch mitgeteilt, dass Dorothea nicht mehr lange zu leben habe. Darauf hin stellte er in seiner Wohnung im schummrigen Kerzenlicht den fertigen Tetschener Altar auf, den viele Dresdner so sehen konnten. Das war gewissermaßen ein symbolischer Akt für die sterbende Schwester, denn diese hatte in ihrem letzte Brief am 22. Oktober 1808 geschrieben:



Lieber Bruder

Bey lesung Deines letzten Briefes freute und schämte ich mich zugleich, das ich deinen Brief vom März unbeantwortet gelaßen hatte, nun nahm ich mir heilig vor sogleich wieder zu schreiben, und deine Verzeihung zu erbitten, die ich auch gewiß erhalten hätte, denn seit länger als einen halben Jahr habe ich fast keinen gesunden Tag mehr gehabt. Jetzt bin ich seit den 20sten August bettlägrig, und so daß ich ohne die Hülfe Anderer; nicht von einer Stelle zur anderen kommen kann, mein Zustand ist sehr traurig. Doch was soll ich Dir länger von meinen Leiden unterhalten? Verzeih daß ich’s so lange that.

Daß Du vorigen Sommer so gute Einnahmen gehabt hast, hat mich herzlich gefreut. Hast Du das Altarstück fertig? Ich möchte es wohl sehen, ich glaube es wird viel Eindruck machen.

Daß Du immer gesund seyn magst das wünscht

Deine Schwester C. D. Sponholz

Daß dieser Brief wohl etwas unverständlich ist will ich gern glauben



Caspar David Friedrich: Bildnis der Schwester Catharina Dorothea.
Um 1798 Kreide, 21 x 17 cm, Stuttgart, Staatsgalerie
Caspar David Friedrich: Das Kreuz im Gebirge
(Tetschener Altar). 1807, Öl auf Leinwand, 115 x
110,5 cm, Dresden, Gemäldegalerie Neue Meister

Montag, 9. Oktober 2017

Caspar David Friedrich Kalender am 10. Oktober: Radierte Erinnerung

Caspar David Friedrich: Landschaft mit strohgedeckter Hütte.
6. Oktober 1799, Radierung, 8,8 x 12,7 cm (Platte 9,2 x 15,3 cm),
Wolfenbüttel, Herzog August-Bibliothek

Caspar David Friedrich fertigte Anfang Oktober 1799 in einer kleinen Serie von Radierungen die Parklandschaften in Breesen und Hohenzieritz, später kamen wenige Motive von Landschaftsparks aus dem Dresdner Umland hinzu. Hier probierte sich der Maler in dieser Technik aus und blieb dabei in der Darstellungsweise der Barockmeister. Mit der Radierung konnte sich Friedrich nicht anfreunden. Einige Blätter haben Bedeutung für biografische Bezüge. Die Landschaft mit strohgedeckter Hütte zeigt einen Teil des Gutsparks von Breesen bei Neubrandenburg. In dem Dorf wohnte seine Schwester Dorothea, die mit dem dortigen Pastor August Sponholz verheiratet war.

Die dargestellte Aussicht hat man zu dieser Zeit vom Breesener Gutshaus Richtung Nordwesten über den Teich mit einer kleinen baumbewachsenen Insel auf eine Bogenbrücke. Heute sind die einst angelegten Parksichten weitgehend zugewachsen. Auch wurde die Bogenbrücke Mitte der 1960er Jahre durch eine Metallkonstruktion ersetzt. Gleichwohl lässt sich die Situation in der Natur noch klar erfassen. Eine im Jahr 2000 aufgenommene Bestandsskizze des Parks zeigt den Prospekt des Malers als wichtigste Sichtachse in die Landschaft. Darüber schreibt die 1905 in Breesen geborene und dort aufgewachsene Schriftstellerin Sabine von Engel in ihrem Essay Nachruf einem alten Park:

Am anderen Teich, auf dessen buschiger Insel sich zahme und wilde Enten zum Brutgeschäft treffen, um dann stolz mit ihren kleinen Flottillen auf dem Wasserspiegel umherziehen, schwingt sich die steinerne Brücke über den Zufluß und gibt den Blick frei zu den Koppeln, wo im Hochsommer das Jungvieh seine schwarz-weißen Köpfe wie aufgefädelt über den Drahtzaun hängt und blöde in die schattige Platanenallee des Parkes stiert wie in ein dunkles Rohr.

Freitag, 6. Oktober 2017

Caspar David Friedrich Kalender am 7. Oktober: Shooting in Werther-Manier

Caspar David Friedrich: Zwei Mädchen vor einem
Felsblock. 7. Oktober 1801, Feder und Pinsel,
18,5 x 11,9 cm, Dresden, Kupferstich-Kabinett

Am 7. Oktober 1801 entsteht von Caspar David Friedrichs Hand das letzte Bild aus einer Serie von lavierten Federzeichnungen, die Mädchen in einer Weise zeigt, die an die Illustrationen von Daniel Chodowiecki zu Goethes Werther erinnern. Der Maler hielt sich seit dem Spätsommer bei seiner Schwester Dorothea in Breesen auf. Anlass waren die Hochzeiten seiner Brüder Johann und Christian. Die Zeichnungen zeigen Mädchen des Dorfes im Gutspark von Breesen. Heute würde so ein Fotoshooting stattfinden. Die Mädchen posieren hier in Werther-Manier des vergangenen Zeitalters der Empfindsamkeit.

Dabei wäre Caspar David Friedrich im Herbst 1801 in Breesen in der Lage, sich in die Figur des Werthers hineinzuversetzen: Ein junger Mann, noch ohne festen Lebensplan, entflieht dem Stadtleben und kommt in ein idyllisches Dorf. Er genießt die Natur, streift umher und zeichnet, was ihm festhaltenswert erscheint. Sein vages Lebensziel ist, einmal Künstler zu werden. Er trifft auf eine junge Frau (namens Lotte), die allerdings schon vergeben ist ... Die Lotte in Goethes Briefroman könnte Friedrich in einer Schlüsselszene an seine Schwester Catharina erinnert haben. Der junge Wer­ther sieht Lotte zum ersten Mal von ihren acht jüngeren Geschwistern umringt, denen sie zum Abendbrot von einem Brotlaib Stück für Stück abschneidet. Er ist tief beeindruckt von dieser Szene, in deren Mittelpunkt ein schönes Mädchen steht, das eine Mutterrolle übernommen hat. Friedrich würde in dieser Lotte ein Frauenbild wie­derfinden, das seine Schwester Catharina bei ihm geprägt hat. Für welchen literarischen Stoff soll sich der junge Maler am Ende des 18. Jahrhunderts interessiert haben, wenn nicht für diesen? Also, wer könnte auf jenen Zeichnungen aus diesem Sommer Friedrichs Lotte gewesen sein?

Caspar David Friedrich: Studie einer sitzenden Frau vor Gebüsch.
5. Oktober 1801, Feder, laviert, 18,6 x 12 cm, Dresden, Kupferstich-Kabinett
Caspar David Friedrich: Studie einer lesenden Frau.
6. Oktober 1801, Feder laviert, 18,6 x 11,9 cm, Dresden,
Kupferstichkabinett
Caspar David Friedrich: Freundinnen unter einem
Baum.6. Oktober 1801, Feder und Pinsel, laviert,
18,6 x 11,9 cm, Dresden, Kupferstich-Kabinett

Mittwoch, 21. Dezember 2016

Caspar David Friedrich Kalender am 22. Dezember 2016: Tod der Schwestermutter

Caspar David Friedrich: Gebirgslandschaft mit Regenbogen. 1810, Öl
auf Leinwand, 70 x 102 cm, Essen, Museum Folkwang

Am 22. Dezember 1808 starb Caspar David Friedrichs Schwester Dorothea Catharina Sponholz in Breesen bei Neubrandenburg. Für den Maler war die Pfarrersfrau der wichtigste Mensch in seinem Leben. Nach dem frühen Tod der Mutter (1781) hat die 15-jährige Schwester diese Rolle für den 7-jährigen Caspar David übernommen. Die Breesener Pfarrersfamilie war für Friedrich auch noch lange eine Ersatzfamilie, in der er sich mitunter monatelang aufhielt.

Caspar David Friedrich hat die Nachricht vom Tod der Schwester nicht in Dresden erreicht. In einem Brief, der etwa am 24. Dezember 1808 eintraf (eine Woche Zustellzeit), wurde ihm jedoch mitgeteilt, dass Dorothea nicht mehr lange zu leben habe. Darauf hin stellte er in seiner Wohnung im schummrigen Kerzenlicht den fertigen Tetschener Altar auf, den viele Dresdner so sehen konnten. Das war gewissermaßen ein symbolischer Akt für die sterbende Schwester, denn diese hatte in ihrem letzte Brief am 22. Oktober 1808 geschrieben:



Lieber Bruder

Bey lesung Deines letzten Briefes freute und schämte ich mich zugleich, das ich deinen Brief vom März unbeantwortet gelaßen hatte, nun nahm ich mir heilig vor sogleich wieder zu schreiben, und deine Verzeihung zu erbitten, die ich auch gewiß erhalten hätte, denn seit länger als einen halben Jahr habe ich fast keinen gesunden Tag mehr gehabt. Jetzt bin ich seit den 20sten August bettlägrig, und so daß ich ohne die Hülfe Anderer; nicht von einer Stelle zur anderen kommen kann, mein Zustand ist sehr traurig. Doch was soll ich Dir länger von meinen Leiden unterhalten? Verzeih daß ich’s so lange that.

Daß Du vorigen Sommer so gute Einnahmen gehabt hast, hat mich herzlich gefreut. Hast Du das Altarstück fertig? Ich möchte es wohl sehen, ich glaube es wird viel Eindruck machen.

Daß Du immer gesund seyn magst das wünscht

Deine Schwester C. D. Sponholz

Daß dieser Brief wohl etwas unverständlich ist will ich gern glauben


Caspar David Friedrich: Bildnis der Schwester Catharina Dorothea.
Um 1798 Kreide, 21 x 17 
 cm, Stuttgart, Staatsgalerie

Der Maler hat sich am ersten Weihnachtsfeiertag zu Fuß auf den 400 Km langen Weg nach Breesen gemacht. Als er Anfang Januar 1809 ankam, war seine Schwester bereits beerdigt. 

Als Trauerbild entstand das Gemälde Gebirgslandschaft mit Regenbogen, in dem sich der Maler selber darstellt. Der Stein, an den er sich lehnt, ist jener, an dem er auf der Strecke von Neubrandenburg und Breesen Rast machte und über das Tollensetal blickte (Findling an der Krappmühle). Die Farben von Jacke und Hose symbolisieren bei Friedrich Liebe (rot) und Reinheit/Unschuld (weiß). Das Bild kann deshalb auch in Richtung eines ödipalen Konflikts interpretiert werden.


Caspar David Friedrich: Das Kreuz im Gebirge
(Tetschener Altar). 1807, Öl auf Leinwand, 115 x
110,5 cm, Dresden, Gemäldegalerie Neue Meister

Sonntag, 9. Oktober 2016

Caspar David Friedrich Kalender am 10. Oktober 2016: Radierte Erinnerung

Caspar David Friedrich: Landschaft mit strohgedeckter Hütte.
6. Oktober 1799, Radierung, 8,8 x 12,7 cm (Platte 9,2 x 15,3 cm),
Wolfenbüttel, Herzog August-Bibliothek

Caspar David Friedrich fertigte im Anfang Oktober 1799 eine kleine Serie von Radierungen die Parklandschaften in Breesen und Hohenzieritz, später kamen wenige Motive von Landschaftsparks aus dem Dresdner Umland hinzu. Hier probiert sich der Maler in dieser Technik aus und bleibt dabei in der Darstellungsweise der Barockmeister. Mit der Radierung konnte sich Friedrich nicht anfreunden. Einige Blätter haben Bedeutung für biografische Bezüge. Die Landschaft mit strohgedeckter Hütte zeigt einen Teil des Gutsparks von Breesen bei Neubrandenburg. In dem Dorf wohnte seine Schwester Dorothea, die mit dem dortigen Pastor August Sponholz verheiratet war.

Die dargestellte Aussicht hat man zu dieser Zeit vom Breesener Gutshaus Richtung Nordwesten über den Teich mit einer kleinen baumbewachsenen Insel auf eine Bogenbrücke. Heute sind die einst angelegten Parksichten weitgehend zugewachsen. Auch wurde die Bogenbrücke Mitte der 1960er Jahre durch eine Metallkonstruktion ersetzt. Gleichwohl lässt sich die Situation in der Natur noch klar erfassen. Eine im Jahr 2000 aufgenommene Bestandsskizze des Parks zeigt den Prospekt des Malers als wichtigste Sichtachse in die Landschaft. Darüber schreibt die 1905 in Breesen geborene und dort aufgewachsene Schriftstellerin Sabine von Engel in ihrem Essay Nachruf einem alten Park:

Am anderen Teich, auf dessen buschiger Insel sich zahme und wilde Enten zum Brutgeschäft treffen, um dann stolz mit ihren kleinen Flottillen auf dem Wasserspiegel umherziehen, schwingt sich die steinerne Brücke über den Zufluß und gibt den Blick frei zu den Koppeln, wo im Hochsommer das Jungvieh seine schwarz-weißen Köpfe wie aufgefädelt über den Drahtzaun hängt und blöde in die schattige Platanenallee des Parkes stiert wie in ein dunkles Rohr.

Donnerstag, 6. Oktober 2016

Caspar David Friedrich Kalender am 7. Oktober 2016: Shooting in Werther-Manier

Caspar David Friedrich: Zwei Mädchen vor einem
Felsblock. 7. Oktober 1801, Feder und Pinsel,
18,5 x 11,9 cm, Dresden, Kupferstich-Kabinett

Am 7. Oktober 1801 entsteht von Caspar David Friedrichs Hand das letzte Bild aus einer Serie von lavierten Federzeichnungen, die Mädchen in einer Weise zeigt, die an die Illustrationen von Daniel Chodowiecki zu Goethes Werther erinnern. Der Maler hielt sich seit dem Spätsommer bei seiner Schwester Dorothea in Breesen auf. Anlass waren die Hochzeiten seiner Brüder Johann und Christian. Die Zeichnungen zeigen Mädchen des Dorfes im Gutspark von Breesen. Heute würde so ein Fotoshooting stattfinden. Die Mädchen posieren hier in Werther-Manier des vergangenen Zeitalters der Empfindsamkeit.

Dabei wäre Caspar David Friedrich im Herbst 1801 in Breesen in der Lage, sich in die Figur des Werthers hineinzuversetzen: Ein junger Mann, noch ohne festen Lebensplan, entflieht dem Stadtleben und kommt in ein idyllisches Dorf. Er genießt die Natur, streift umher und zeichnet, was ihm festhaltenswert erscheint. Sein vages Lebensziel ist, einmal Künstler zu werden. Er trifft auf eine junge Frau (namens Lotte), die allerdings schon vergeben ist ... Die Lotte in Goethes Briefroman könnte Friedrich in einer Schlüsselszene an seine Schwester Catharina erinnert haben. Der junge Wer­ther sieht Lotte zum ersten Mal von ihren acht jüngeren Geschwistern umringt, denen sie zum Abendbrot von einem Brotlaib Stück für Stück abschneidet. Er ist tief beeindruckt von dieser Szene, in deren Mittelpunkt ein schönes Mädchen steht, das eine Mutterrolle übernommen hat. Friedrich würde in dieser Lotte ein Frauenbild wie­derfinden, das seine Schwester Catharina bei ihm geprägt hat. Für welchen literarischen Stoff soll sich der junge Maler am Ende des 18. Jahrhunderts interessiert haben, wenn nicht für diesen? Also, wer könnte auf jenen Zeichnungen aus diesem Sommer Friedrichs Lotte gewesen sein?


Caspar David Friedrich: Studie einer sitzenden Frau vor Gebüsch.
5. Oktober 1801, Feder, laviert, 18,6 x 12 cm, Dresden, Kupferstich-Kabinett


Caspar David Friedrich: Studie einer lesenden Frau.
6. Oktober 1801, Feder laviert, 18,6 x 11,9 cm, Dresden,
Kupferstichkabinett


Caspar David Friedrich: Freundinnen unter einem
Baum.6. Oktober 1801, Feder und Pinsel, laviert,
18,6 x 11,9 cm, Dresden, Kupferstich-Kabinett

Montag, 21. Dezember 2015

Caspar David Friedrich Kalender am 22. Dezember: Tod der Schwestermutter

Caspar David Friedrich: Gebirgslandschaft mit Regenbogen. 1810, Öl
auf Leinwand, 70 x 102 cm, Essen, Museum Folkwang

Am 22. Dezember 1808 starb Caspar David Friedrichs Schwester Dorothea Catharina Sponholz in Breesen bei Neubrandenburg. Für den Maler war die Pfarrersfrau der wichtigste Mensch in seinem Leben. Nach dem frühen Tod der Mutter (1781) hat die 15-jährige Schwester diese Rolle für den 7-jährigen Caspar David übernommen. Die Breesener Pfarrersfamilie war für Friedrich auch noch lange eine Ersatzfamilie, in der er sich mitunter monatelang aufhielt.

Caspar David Friedrich hat die Nachricht vom Tod der Schwester nicht in Dresden erreicht. In einem Brief, der etwa am 24. Dezember 1808 eintraf (eine Woche Zustellzeit), wurde ihm jedoch mitgeteilt, dass Dorothea nicht mehr lange zu leben habe. Darauf hin stellte er in seiner Wohnung im schummrigen Kerzenlicht den fertigen Tetschener Altar auf, den viele Dresdner so sehen konnten. Das war gewissermaßen ein symbolischer Akt für die sterbende Schwester, denn diese hatte in ihrem letzte Brief am 22. Oktober 1808 geschrieben:

Lieber Bruder

Bey lesung Deines letzten Briefes freute und schämte ich mich zugleich, das ich deinen Brief vom März unbeantwortet gelaßen hatte, nun nahm ich mir heilig vor sogleich wieder zu schreiben, und deine Verzeihung zu erbitten, die ich auch gewiß erhalten hätte, denn seit länger als einen halben Jahr habe ich fast keinen gesunden Tag mehr gehabt. Jetzt bin ich seit den 20sten August bettlägrig, und so daß ich ohne die Hülfe Anderer; nicht von einer Stelle zur anderen kommen kann, mein Zustand ist sehr traurig. Doch was soll ich Dir länger von meinen Leiden unterhalten? Verzeih daß ich’s so lange that.

Daß Du vorigen Sommer so gute Einnahmen gehabt hast, hat mich herzlich gefreut. Hast Du das Altarstück fertig? Ich möchte es wohl sehen, ich glaube es wird viel Eindruck machen.

Daß Du immer gesund seyn magst das wünscht

Deine Schwester C. D. Sponholz

Daß dieser Brief wohl etwas unverständlich ist will ich gern glauben

Caspar David Friedrich: Bildnis der Schwester Catharina Dorothea. Um 1798 Kreide, 21 x 17
 cm, Stuttgart, Staatsgalerie
Der Maler hat sich am ersten Weihnachtsfeiertag zu Fuß auf den 400 Km langen Weg nach Breesen gemacht. Als er Anfang Januar 1809 ankam, war seine Schwester bereits beerdigt. 

Als Trauerbild entstand das Gemälde Gebirgslandschaft mit Regenbogen, in dem sich der Maler selber darstellt. Der Stein, an den er sich lehnt, ist jener, an dem er auf der Strecke von Neubrandenburg und Breesen Rast machte und über das Tollensetal blickte (Findling an der Krappmühle). Die Farben von Jacke und Hose symbolisieren bei Friedrich Liebe (rot) und Reinheit/Unschuld (weiß). Das Bild kann deshalb auch in Richtung eines ödipalen Konflikts interpretiert werden. 

Caspar David Friedrich: Das Kreuz im Gebirge
(Tetschener Altar). 1807, Öl auf Leinwand, 115 x
110,5 cm, DresdenGemäldegalerie Neue Meister

Freitag, 9. Oktober 2015

Caspar David Friedrich Kalender am 10. Oktober: Radierte Erinnerung

Caspar David Friedrich: Landschaft mit strohgedeckter Hütte.
6. Oktober 1799, Radierung, 8,8 x 12,7 cm (Platte 9,2 x 15,3 cm),
Wolfenbüttel, Herzog August-Bibliothek

Caspar David Friedrich fertigte im Anfang Oktober 1799 eine kleine Serie von Radierungen die Parklandschaften in Breesen und Hohenzieritz, später kamen wenige Motive von Landschaftsparks aus dem Dresdner Umland hinzu. Hier probiert sich der Maler in dieser Technik aus und bleibt dabei in der Darstellungsweise der Barockmeister. Mit der Radierung konnte sich Friedrich nicht anfreunden. Einige Blätter haben Bedeutung für biografische Bezüge. Die Landschaft mit strohgedeckter Hütte zeigt einen Teil des Gutsparks von Breesen bei Neubrandenburg. In dem Dorf wohnte seine Schwester Dorothea, die mit dem dortigen Pastor August Sponholz verheiratet war.

Die dargestellte Aussicht hat man zu dieser Zeit vom Breesener Gutshaus Richtung Nordwesten über den Teich mit einer kleinen baumbewachsenen Insel auf eine Bogenbrücke. Heute sind die einst angelegten Parksichten weitgehend zugewachsen. Auch wurde die Bogenbrücke Mitte der 1960er Jahre durch eine Metallkonstruktion ersetzt. Gleichwohl lässt sich die Situation in der Natur noch klar erfassen. Eine im Jahr 2000 aufgenommene Bestandsskizze des Parks zeigt den Prospekt des Malers als wichtigste Sichtachse in die Landschaft. Darüber schreibt die 1905 in Breesen geborene und dort aufgewachsene Schriftstellerin Sabine von Engel in ihrem Essay Nachruf einem alten Park:

Am anderen Teich, auf dessen buschiger Insel sich zahme und wilde Enten zum Brutgeschäft treffen, um dann stolz mit ihren kleinen Flottillen auf dem Wasserspiegel umherziehen, schwingt sich die steinerne Brücke über den Zufluß und gibt den Blick frei zu den Koppeln, wo im Hochsommer das Jungvieh seine schwarz-weißen Köpfe wie aufgefädelt über den Drahtzaun hängt und blöde in die schattige Platanenallee des Parkes stiert wie in ein dunkles Rohr.

Mehr zu dieser Geschichte in Caspar David Friedrichs verborgene Landschaften. Die Neubrandenburger Kontexte, Kapitel 1, "Heimat, Familie Frauenbild", S.57

Dienstag, 6. Oktober 2015

Caspar David Friedrich Kalender am 7. Oktober: Shooting in Werther-Manier

Caspar David Friedrich: Zwei Mädchen vor einem Felsblock.
7. Oktober 1801, Feder und Pinsel, 18,5 x 11,9 cm, Dresden, Kupferstich-Kabinett
Am 7. Oktober 1801 entsteht von Caspar David Friedrichs Hand das letzte Bild aus einer Serie von lavierten Federzeichnungen, die Mädchen in einer Weise zeigt, die an die Illustrationen von Daniel Chodowiecki zu Goethes Werther erinnern. Der Maler hielt sich seit dem Spätsommer bei seiner Schwester Dorothea in Breesen auf. Anlass waren die Hochzeiten seiner Brüder Johann und Christian. Die Zeichnungen zeigen Mädchen des Dorfes im Gutspark von Breesen. Heute würde so ein Fotoshooting stattfinden. Die Mädchen posieren hier in Werther-Manier des vergangenen Zeitalters der Empfindsamkeit.

Dabei wäre Caspar David Friedrich im Herbst 1801 in Breesen in der Lage, sich in die Figur des Werthers hineinzuversetzen: Ein junger Mann, noch ohne festen Lebensplan, entflieht dem Stadtleben und kommt in ein idyllisches Dorf. Er genießt die Natur, streift umher und zeichnet, was ihm festhaltenswert erscheint. Sein vages Lebensziel ist, einmal Künstler zu werden. Er trifft auf eine junge Frau (namens Lotte), die allerdings schon vergeben ist ... Die Lotte in Goethes Briefroman könnte Friedrich in einer Schlüsselszene an seine Schwester Catharina erinnert haben. Der junge Wer­ther sieht Lotte zum ersten Mal von ihren acht jüngeren Geschwistern umringt, denen sie zum Abendbrot von einem Brotlaib Stück für Stück abschneidet. Er ist tief beeindruckt von dieser Szene, in deren Mittelpunkt ein schönes Mädchen steht, das eine Mutterrolle übernommen hat. Friedrich würde in dieser Lotte ein Frauenbild wie­derfinden, das seine Schwester Catharina bei ihm geprägt hat. Für welchen literarischen Stoff soll sich der junge Maler am Ende des 18. Jahrhunderts interessiert haben, wenn nicht für diesen? Also, wer könnte auf jenen Zeichnungen aus diesem Sommer Friedrichs Lotte gewesen sein?

Mehr zu dieser Geschichte in Caspar David Friedrichs verborgene Landschaften. Die Neubrandenburger Kontexte, Kapitel 1, "Heimat, Familie Frauenbild", S.26
 
Caspar David Friedrich: Studie einer sitzenden Frau vor Gebüsch.
 5. Oktober 1801, Feder, laviert, 18,6 x 12 cm, Dresden, Kupferstich-Kabinett

Caspar David Friedrich: Studie einer lesenden Frau.
6. Oktober 1801, Feder laviert, 18,6 x 11,9 cm, Dresden,
Kupferstichkabinett

Caspar David Friedrich: Freundinnen unter einem
Baum.6. Oktober 1801, Feder und Pinsel, laviert, 18,6 x 11,9 cm,
Dresden, Kupferstich-Kabinett

Montag, 15. Juni 2015

Caspar David Friedrich Kalender am 15. Juni: Kirche in Breesen

Caspar David Friedrich: Studie einer Eiche und einer Kirche, 15. Juni 1809
 Caspar David Friedrich zeichnete am 15. Juni 1809 einen Baum und die Kirche von Breesen bei Neubrandenburg. In Breesen war die Schwester Catharina Dorothea des Malers mit dem Pfarrer August Sponholz verheiratet.
Kirche in Breesen 2008