Freitag, 15. September 2017

Caspar David Friedrich Kalender am 15. September 2017: Schwierigkeiten mit dem Herbst

Caspar David Friedrich: Herbst. Um 1826, Sepia,
19,1 x 27,5 cm, Hamburger Kunsthalle

Die Blätter des Tageszeiten, Jahreszeiten- und Lebenszyklus von Caspar David Friedrich sind den Jahreszeiten augenscheinlich zuzuordnen, nur bei der im September 1826 gezeichneten Sepia Herbst weiß der Betrachter nicht, wie diese Bilderzählung zur Jahreszeit zu interpretieren ist. Wenn man darüber nachdenkt, fällt auf dass der Maler in seinem umfangreichen Werk kein Bild fertigte, dass sich so ohne weiteres einer Herbstlandschaft zuordnen lässt. Friedrich schien Schwierigkeiten mit der Darstellung des Herbstes zu haben. Die üppige Pflanzenpracht des Sommers ist vorbei und die bevorzugten harten Kontraste des Winters zeigen sich noch nicht - vielleicht ist es so zu erklären.

Dienstag, 12. September 2017

Caspar David Friedrich Kalender am 14. September 2017: War Friedrich ein Schwede?

Caspar David Friedrich: Lebensstufen. Um 1835, Öl auf
Leinwand, 72,5 x 94 cm, Museum der Bildenden Künste Leipzig

In dem Gemälde Die Lebensstufen von 1835 hält ein kleiner Junge ein schwedisches Fähnchen in die Höhe. Diese Symbolik gilt als deutlichstes Zeichen der Sympathie des Malers für Schweden.

In der Folge des Wiener Kongresses wurde Schwedisch-Pommern im September 1815 Preußen zugeschlagen, also auch Caspar David Friedrichs Heimatstadt Greifswald. Wegen der Zugehörigkeit Pommerns zu Schweden gab es die weit verbreitete Annahme, Friedrich sei Schwede, habe auch nach 1815 einen schwedischen Pass besessen.

Dr. Joachim Krüger, Historiker von der Ernst Moritz Arndt Universität Greifswald, konnte auf Anfrage dazu aufklären:

Die Einwohner in Schwedisch-Pommern haben, sofern sie nicht auch im Königreich Schweden direkt beheimatet waren, nie einen schwedischen Pass besessen. Schwedisch-Pommern blieb auch nach 1648 ein Territorium des Heiligen Römischen Reichs dt. Nation. Derschwedische König (in diesem Fall die Königin Christina) wurde als Reichsfürst eingesetzt (als Herzog von Pommern), er war als solcher Vasall des Kaisers. Die Einführung der schwedischen Verfassung, durch welche die Bewohner Schwedisch-Pommerns tatsächlichSchwedische Untertanen geworden wären, wurde 1806 zwar vorbereitet, aber aufgrund der Napoleonischen Kriege und der Absetzung des schwedischen Königs Gustav IV. Adolf (1809) nicht umgesetzt. Schwedisch-Pommern stand bis 1806 in einem Doppelstatus: als deutsches Herzogtum und gleichzeitig als schwedische Provinz. Aber die Untertanen waren keine Schweden, sie waren Einwohner eines Reichsfürstentums. Das, was sie mit Schweden verband, war der schwedische König.
Als Schwedisch-Pommern an Preußen übergeben wurde, änderte sich für die Bevölkerung erst einmal kaum etwas. Der alte König (und als solcher Herzog von Schwedisch-Pommern) entband seine Untertanen vom Eid. Die Bevölkerung (richtiger die Landstände) huldigte anschließend dem neuen König, der ebenfalls die Stellung eines Herzogs von Pommern einnahm. Die Einwohner waren keinesfalls staatenlos. Die Gesetze blieben in Neuvorpommern, oder, wie es richtig hieß, im Regierungsbezirk Stralsund, die gleichen wie zuvor. Erst allmählich erfolgte eine Anpassung an das preußische Gesetzbuch.

Caspar David Friedrich war also nie schwedischer Staatsbürger gewesen und hatte demnach auch keinen schwedischen Pass, sorgte jedoch für Legendenbildung.

Montag, 11. September 2017

Caspar David Friedrich Kalender am 12. September: Leben auf dem Lande

Caspar David Friedrich: Reetgedeckte
Kate und Mann mit Pfeife am Zaun.
1815, Bleistift, Feder, Privatbesitz

Septemberfundstück. Ein  großer Teil von Caspar David Friedrichs zeichnerischen Werk befindet sich in Privatsammlungen und wird nur sichtbar beim Besitzerwechsel auf Auktionen. Die Zeichnung
Reetgedeckte Kate und Mann mit Pfeife am Zaun, die im Sommer 1815 auf einer Rügenreise des Malers entstand, ist solch ein Blatt. Bauernkate und Mann am Zaun findet man in Friedrichs Werk als häufiges Motiv. Viele Zeichnungen dokumentieren die bäuerliche Lebensweise am Beginn des 19. Jahrhunderts. Die Bauernkate als Ferienhaus auf Rügen könnte heute eine romantisches Update sein. Dieses Blatt erzielte einen Preis von 75.000 Euro.

Caspar David Friedrich Kalender am 11. September 2017: Zuerst die Sachsen

Polizeihaus in Dresden am 10. September 1830

Caspar David Friedrich schrieb am 11. September 1830 an seine Brüder in Greifswald einen langen Brief über die revolutionären Ereignisse in Dresden. Während in Deutschland erst 1848 die Revolution stattfand, probten die Sachsen als erstes Volk in Deutschland den Aufstand schon 18 Jahre zuvor.

Lieben Brüder

Überall hört man von Krieg und Krieges Geschrei, von Empöhrung und Aufruhr
auch die Dresdner Einwohner haben sich einmal gerüttelt und geschüttelt. Euch
davon zu benachrichtigen wie es ohngefähr sich zugetragen ist die Absicht 
diese Briefes. Doch rechnet nicht auf eine sehr geregelte Erzehlung ich bin zu 
aufgeregt umd es zu können wenn ich es auch sonst noch allenfalls imstande wehre. [...]
Um 10 Uhr gingen wir zu Bette und 11 Uhr wurde durch Feuerlärm 
geweckt bald darauf wurde der Generalmarsch der Bürger geschlagen und nun 
hörte man auch ein furchtbares Hura! Hura! rufen. Nicht lange hörte ich mit 
entset[z]lichen Geschrei das Volk sich der Hauptwache nähern (so ich aus meinen
Fenster sehen kann) es fielen ohngefähr 8 bis 10 Schüße darauf verstummte der
Lärm aber nur einige Minuten. Dann begann der Lärm und das Toben um so stärker;
und dies war der Augenblick, wo das Volk die Soldaten von der Hauptwache
weggeprügelt hatte um sie von den Bürgern besetzt zu wissen, sie ich nachher erfuhr [...]

Sonntag, 10. September 2017

Caspar David Friedrich Kalender am 10. September 2017: Mastwald in Farbe

Caspar David Friedrich: Greifswalder Hafen mit Steinbecker Brücke.
10. September 1815, Bleistift, 15,5 x 24,4 cm, Nationalmuseum Oslo

Caspar David Friedrich zeichnete am 10. September 1815 von einem Boot auf dem Ryck aus die Steinbecker Brücke am Greifswalder Hafen. Das Bild entstand während der Rügenreise, die der Maler mit dem Dresdner Münzbeamten Kummer unternahm. Der rechte Mastwald ist im folgenden Jahr in dem Gemälde Ansicht eines Hafens verwendet.


Caspar David Friedrich: Ansicht eines Hafens
(Greifswalder Hafen, Ein Seehafen). 1816, Öl auf
Leinwand, 90 x 71 cm, Schloss Charlottenhof Potsdam

Freitag, 8. September 2017

Caspar David Friedrich Kalender am 9. September: Zensur im Feuilleton

Caspar David Friedrich: Der Mönch am Meer. Um 1809,
Öl auf Leinwand, 110 x 171,5 cm, Berlin Nationalgalerie

Clemens Brentano de La Roche wurde am 9. September 1778 in Ehrenbreitstein (heute Koblenz) geboren. Mit Caspar David Friedrich verbindet den Schriftsteller der Heildelberger Romantik einer der ersten bedeutenden Zensurakte bei der Kunstkritik im deutschen Feuilleton.

Heinrich von Kleist als Redakteur der Berliner Abendblätter bat 1810 Brentano und Achim von Arnim um eine Besprechung zu Friedrichs Mönch am Meer. Brentano verfasste einen Text, der Betrachter des Bildes mit ihrem mangelnden Kunstverstand aufs Korn nahm. Kleist arbeitete die Vorlage völlig um zu dem bekannten Hymnus auf den Mönch. Brentano war so verärgert, dass sich Kleist genötigt sah, eine Erklärung abzudrucken. 

Hier die Dokumentation aller Texte: 

Brentano, Clemens / Achim von Arnim: Verschiedene Empfindungen vor einer Seelandschaft von Friedrich, worauf ein Kapuziner. (Bei einer Kunstausstellung.) In: Iris. Unterhaltungsblatt für Freunde des Schönen und Nützlichen. Nr. 20, 28. 1. 1826, 77–78.

Es ist herrlich, in unendlicher Einsamkeit am Meeresufer, unter trübem Himmel auf eine unbegränzte Wasserwüste hinzuschauen, und dazu gehört, daß man dahin gegangen, daß man zurück muß, daß man hinüber möchte, daß man es nicht kann, daß man alles zum Leben vermißt und seine Stimme doch im Rauschen der Fluth, im Wehen der Luft, im Ziehen der Wolken, dem einsamen Geschrei der Vögel, vernimmt, dazu gehört ein Anspruch, den das Herz macht, und ein Abbruch, den einem die Natur thut. Dieses aber ist vor dem Bilde unmöglich, und das was ich in dem Bilde selbst finden sollte, fand ich erst zwischen mir und dem Bilde, nämlich einen Anspruch, den mir das Bild that, indem es denselben nicht erfüllte, und so wurde ich selbst der Kapuziner, das Bild ward die Düne, das aber, wo hinaus ich mit Sehnsucht blicken sollte, die See, fehlte ganz. Dieser wunderbaren Empfindung nun zu begegnen lauschte ich auf die Aeußerungen der Verschiedenheit der Beschauer um mich her, und theile sie als zu diesem Gemälde gehörig mit, das durchaus Decoration ist, vor welchem eine Handlung vorgehen muß, indem es keine Ruhe gewährt.

Eine Dame und ein Herr, welcher vielleicht sehr geistreich war, traten auf, die Dame sah in ihr Verzeichniß und sprach: Nro. zwei; Landschaft in Oel. Wie gefällt sie Ihnen. Herr: Unendlich tief und erhaben. D. Sie meinen die See, ja die muß erstaunlich tief seyn, und der Kapuziner ist auch sehr erhaben. Hr. Nein, Frau Kriegsrath, ich meine die Empfindung des einzigen Friedrichs bei diesem Bilde. D. Ist es schon so alt, daß er es auch gesehen? Hr. Ach, Sie mißverstehn mich, ich rede von dem Maler Friedrich, Ossian schlägt vor diesem Bilde in die Harfe. (ab)

Zwei junge Damen. 1. Hast du gehört, Louise, das ist Ossian. 2. Ach nein, du mißverstehst ihn, es ist der Ocean. 1. Er sagte aber, er schlüge in die Harfe. 2. Ich sehe aber keine Harfe. Es ist doch recht graulich anzusehen. (ab)

– Zwei Kunstverständige. 1. Ja wohl graulich, es ist alles ganz grau, wie der nur solche trockne Dinge malen will. 2. Sie wollen lieber sagen, wie er so nasse Dinge so trocken malen will. 1. Er wird es wohl so gut malen als er kann. (ab)

– Eine Erzieherin mit zwei Demoiselles. Erz. dieß ist die See bei Rügen. 1. Dem. Wo Kosegarten wohnt. 2. Wo die Colonialwaaren herkommen. Erz. Warum er nur so trübe Luft gemalt. Wie schön, wenn er im Vordergrund einige Bernsteinfischer gemalt hätte. 1. Dem. Ach ja, ich möchte mir selbst einmal eine schöne Schnur Bernstein zusammen fischen. (ab)

– Eine junge Frau mit zwei blonden Kindern und ein Paar Herrn. Herr: Herrlich, herrlich, dieser Mann ist doch der einzige, der in seinen Landschaften ein Gemüth ausdrückt, es ist eine große Individualität in diesem Bilde, die hohe Wahrheit, die Einsamkeit, der trübe schwermuthsvolle Himmel, er weiß doch, was er malt. 2. Hr. Und malt auch was er weiß, und fühlt es, und denkt es, und malt es. 1. Kind. Was ist denn das? 1. Hr. Das ist die See, mein Kind, und ein Kapuziner, der daran spazieren geht und traurig ist, daß er keinen so artigen Jungen hat wie du. 2. Kind. Warum tanzt der Kapuziner denn nicht vorn herum, warum wackelt er nicht mit dem Kopf, wie im Schattenspiel? Das wäre doch schöner. 1. Kind. Es ist wohl so ein Kapuziner, der das Wetter anzeigt, wie der vor unserm Fenster. 2. Hr. Nicht ein solcher, mein Kind, aber auch er zeigt das Wetter an, er ist die Einheit in der Allheit, der einsame Mittelpunkt in dem einsamen Kreis. 1. Hr. Ja er ist das Gemüth, das Herz, die Reflexion des ganzen Bildes in sich und über sich. 2. Hr. Wie göttlich ist diese Staffage gewählt, sie ist nicht wie bei den ordinären Herren Malern ein bloßer Maaßstab für die Höhe der Gegenstände, er ist die Sache selbst, er ist das Bild, und indem er in diese Gegend wie in einen traurigen Spiegel seiner eignen Abgeschlossenheit hinein zu träumen scheint, scheint das schifflose einschließende Meer, das ihn wie sein Gelübde beschränkt, und das öde Sandufer, das freudenlos wie sein Leben ist, ihn wieder wie eine einsame von sich selbst weissagende Uferpflanze symbolisch hervorzutreiben. 1. Hr. Herrlich, gewiß, Sie haben recht; (zur Dame) aber meine Liebe, Sie sagen ja gar nichts. D. Ach, es war mir vor dem Bilde wie zu Haus, es rührte mich recht, es ist doch recht natürlich, und als Sie so sprachen, war mir grade so undeutlich, wie sonst, wenn ich mit unseren philosophischen Freunden am Meer spazieren ging, nur wünschte ich, daß eine frische Seeluft wehte und ein Segel herantriebe, und daß ein Sonnenblick niederglänzte und das Wasser rauschte; so ist mir’s als wie Alpdrücken und Sehnsucht nach dem Vaterland im Traum; kommt weiter, es macht mich traurig (ab.)

– Eine Dame und ein Führer. D. Es ist, als wenn das Meer Youngs Nachtgedanken hätte. Hr. Sie meinen, als wenn sie dem Kapuziner hineingefallen wären? D. Wenn Sie nur nicht immer spaßten und einem die Empfindung störten; Sie empfinden heimlich doch dasselbe, aber Sie wollen im Andern belachen, was Sie in sich verehren. Ich sage, es ist, als wenn das Meer Youngs Nachtgedanken hätte. Hr. Und ich sage ja, und zwar den Carlsruher Nachdruck, und das Bonnet de Nuit von Mercier dazu, und Schuberts Ansicht von der Natur von der Nachtseite oben ein. D. Ich kann Ihnen nicht besser antworten, als mit einer parallelen Anecdote: da der unsterbliche Klopstock zum Erstenmal in seinen Gedichten gesagt hatte, die Morgenröthe lächelt, sagte Madame Gottsched, indem sie es las: Was macht sie denn für ein Mäulchen? Hr. Gewiß kein so schönes wie das Ihre, indem Sie dieß sagen. D. Nun fallen Sie ins Fatale. Hr. Und Gottsched gab seiner Frau ein Mäulchen für das Bon Mot. D. Ich soll Ihnen wohl gar eine Nachtmütze für das Ihrige geben, aber Sie sind selbst eine. Hr. Nein, lieber eine Ansicht Ihrer Natur von der Nachtseite. D. Sie sind unartig. Hr. Ach, wenn wir da mit einander ständen, wie der Kapuziner steht. D. Ich ließe Sie und ginge zum Kapuziner. Hr. Und bäten Ihn, mich mit Ihnen zu copuliren. D. Nein, Sie ins Wasser zu werfen. Hr. Und blieben mit dem Pater allein und verführten ihn, und verdürben das ganze Bild, und seine Nachtgedanken; seht, so seyd ihr Weiber, ihr vernichtet am Ende doch, was ihr empfindet, ihr saget vor lauter Lügen die Wahrheit. O ich wollte, ich wäre der Kapuziner, der so ewig einsam hinüberschaut in das dunkle verheißende Meer, das wie eine Apokalypse vor ihm liegt, so wollte ich mich ewig sehnen nach Ihnen, liebe Julie, und Sie ewig vermissen, denn diese Sehnsucht ist doch die einzige herrliche Empfindung in der Liebe. D. Nein, nein, mein Lieber, auch in diesem Bilde; wenn Sie so reden, springe ich Ihnen nach ins Wasser und lasse den Kapuziner stehn (ab)

Während der ganzen Zeit hatte ein glimpflicher langer Mann mit einigen Zeichen von Ungeduld zugehört, ich trat ihm etwas auf den Fuß und er antwortete mir als ob ich ihn dadurch um seine Meinung befragt hätte. Es ist gut, daß die Bilder nicht hören können, sie hätten sich sonst schon längst verschleiert; die Leute gehen gar zu unzüchtig mit ihnen um und sind fest überzeugt, sie ständen hier wegen eines geheimen Verbrechens am Pranger, das sie Zuschauer durchaus entdecken müssen. – Aber, was meinen Sie denn eigentlich von dem Bilde? fragte ich. – Es freut mich, sagte er, daß es noch einen Landschaftsmaler gibt, der auf die wunderbaren Conjuncturen des Jahres und Himmels achtet, die auch in der ärmsten Gegend die ergreifendste Wirkung hervorbringen, – es wäre mir aber freilich lieber, wenn dieser Künstler außer dem Gefühl dafür auch die Gabe und das Studium hätte, es in der Darstellung wahr wiederzugeben, und in dieser Hinsicht steht er eben so weit hinter einigen Holländern zurück, die ähnliche Gegenstände gemalt haben, als er sie in der ganzen Gesinnung, worin er aufgefaßt, übertrifft, es würde nicht schwer seyn, ein Dutzend Bilder zu nennen, wo Meer und Ufer und Kapuziner besser gemalt sind. Der Kapuziner erscheint in einer gewissen Entfernung wie ein brauner Fleck, und wenn ich durchaus einen Kapuziner hätte malen wollen, so hätte ich ihn lieber schlafend hingestreckt oder betend oder schauend in aller Bescheidenheit nieder gelegt, damit er den Zuschauern, denen das weite Meer doch offenbar mehr Eindruck macht als der kleine Kapuziner, nicht die Aussicht verdürbe; wer später sich nach den Küstenbewohnern umsähe, fände immer noch in dem Kapuziner alle Veranlassung, das auszusprechen, was mehrere der Zuschauer in einer überschwenglich allgemeinen Vertraulichkeit allen laut mitgetheilt haben.

Diese Rede gefiel mir so wohl, daß ich mich mit demselben Herrn sogleich nach Hause begab, wo ich mich noch befinde und in Zukunft anzutreffen seyn werde.



Text von Kleist überarbeitet

Empfindungen vor Friedrichs Seelandschaft.


Herrlich ist es, in einer unendlichen Einsamkeit am Meeresufer, unter trübem Himmel, auf eine unbegränzte Wasserwüste, hinauszuschauen. Dazu gehört gleichwohl, daß man dahin gegangen sei, daß man zurück muß, daß man hinüber mögte, daß man es nicht kann, daß man Alles zum Leben vermißt, und die Stimme des Lebens dennoch im Rauschen der Fluth, im Wehen der Luft, im Ziehen der Wolken, dem einsamen Geschrei der Vögel, vernimmt. Dazu gehört ein Anspruch, den das Herz macht, und ein Abbruch, um mich so auszudrücken, den Einem die Natur thut. Dies aber ist vor dem Bilde unmöglich, und das, was ich in dem Bilde selbst finden sollte, fand ich erst zwischen mir und dem Bilde, nehmlich einen Anspruch, den mein Herz an das Bild machte, und einen Abbruch, den mir das Bild that; und so ward ich selbst der Kapuziner, das Bild ward die Düne, das aber, wo hinaus ich mit Sehnsucht blicken sollte, die See, fehlte ganz. Nichts kann trauriger und unbehaglicher sein, als diese Stellung in der Welt: der einzige Lebensfunke im weiten Reiche des Todes, der einsame Mittelpunct im einsamen Kreis. Das Bild liegt, mit seinen zwei oder drei geheimnißvollen Gegenständen, wie die Apokalypse da, als ob es Joungs Nachtgedanken hätte, und da es, in seiner Einförmigkeit und Uferlosigkeit, nichts, als den Rahm, zum Vordergrund hat, so ist es, wenn man es betrachtet, als ob Einem die Augenlieder weggeschnitten wären. Gleichwohl hat der Mahler Zweifels ohne eine ganz neue Bahn im Felde seiner Kunst gebrochen; und ich bin über48zeugt, daß sich, mit seinem Geiste, eine Quadratmeile märkischen Sandes darstellen ließe, mit einem Berberitzenstrauch, worauf sich eine Krähe einsam plustert, und daß dies Bild eine wahrhaft Ossiansche oder Kosegartensche Wirkung thun müßte. Ja, wenn man diese Landschaft mit ihrer eignen Kreide und mit ihrem eigenen Wasser mahlte; so, glaube ich, man könnte die Füchse und Wölfe damit zum Heulen bringen: das Stärkste, was man, ohne allen Zweifel, zum Lobe für diese Art von Landschaftsmahlerei beibringen kann. – Doch meine eigenen Empfindungen, über dies wunderbare Gemählde, sind zu verworren; daher habe ich mir, ehe ich sie ganz auszusprechen wage, vorgenommen, mich durch die Aeußerungen derer, die paarweise, von Morgen bis Abend, daran vorübergehen, zu belehren.

Erklärung von Kleist in den Berliner Abendblättern (Nr. 19, 22. 10. 1810, S. 78)

„Der Aufsatz Hrn. L.[udwig] A.[chim] v. A.[rnims] und Hrn. C.[lemens] B.[rentanos] über Hrn. Friedrichs Seelandschaft (S. 12te Blatt.) war ursprünglich dramatisch abgefaßt; der Raum dieser Blätter erforderte aber eine Abkürzung, zu welcher Freiheit ich von Hrn. A. v. A.[rnim] freundschaftlich berechtigt war. Gleichwohl hat dieser Aufsatz dadurch, daß er nunmehr ein bestimmtes Urtheil ausspricht, seinen Charakter dergestalt verändert, daß ich, zur Steuer der Wahrheit [...] erklären muß: nur der Buchstabe desselben gehört den genannten beiden Hrn.; der Geist aber, und die Verantwortlichkeit dafür, so wie er jetzt abgefaßt ist, mir. H. v. K.“

Caspar David Friedrich Kalender am 8. September 2017: Blaues Band

Caspar David Friedrich: Frühling. Um 1826, Sepia,
19,1 x 27,3 cm Hamburger Kunsthalle

Am 8. September 1804 wurde Eduard Friedrich Mörike in LudwigsburgHerzogtum Württemberg geboren. Dem Lyriker der Schwäbischen Schule war mit seinem berühmten Frühlingsgedicht der Vergleich zu Caspar David Friedrichs Frühlingsbildern fast immer sicher, verbindet doch beide im Geiste das Blaue Band der Romantik.



Er ist's 

Frühling läßt sein blaues Band 
Wieder flattern durch die Lüfte; 
Süße, wohlbekannte Düfte 
Streifen ahnungsvoll das Land. 
Veilchen träumen schon, 
Wollen balde kommen. - 
Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist's! 
Dich hab' ich vernommen!