Mittwoch, 22. November 2017

Caspar David Friedrich Kalender am 22. November 2017: Wenn ein Wort fehlt

Caspar David Friedrich: Der Mönch am Meer. Um 1809,
Öl auf Leinwand, 110 x 171,5 cm, Berlin Nationalgalerie

NovemberwortfundstückCaspar David Friedrich verwendet in seinen nachgelassenen Texten das Wort

                                                          [Ahndung. 

Wie bei der Kommentierung seines Gemäldes Mönch am Meer:

Was heilige Ahndung nur ist, nur im Glauben gesehen und erkannt; endlich klahr zu wissen und zu Verstehn!

Bei Abdruck oder zitieren dieser Texte wird oft (auch mal in wissenschaftlichen Beiträgen) aus dem Textzusammenhang auf einen Druckfehler geschlossen und daraus

                                  [Ahnung. 


gemacht. So scheint der Text aus unserem heutigen Verständnis plausibel. Denn Ahndung wird heute definiert als 

Bestrafung eines Vergehens, insbesondere durch eine Institution mit den Synonymen BestrafungSanktionMaßregelungRacheVergeltungVergeltungsmaßnahme

Bei der Ahndung am Beginn des 19. Jahrhunderts bedeutete das Wort etwas völlig anderes. Der Philosoph und Fichte-Schüler Jakob Friedrich Fries begründete das Prinzip der Ahndung, um das Dilemma bei der definierenden Unterscheidung von Wissen und Glauben aufzulösen. In einer groben Verkürzung dieser Theorie könnte man sagen:

[Dem Wissen gehört der Begriff, dem Glauben die Idee, der Ahndung das reine Gefühl. 

Also Friedrich wollte mit der Anwendung des Wortes Ahnung etwas Beschreiben, was sich dem Wissen und Glauben im traditionellen Sinne entzieht und er als zentrale Kategorie eines wie auch immer gearteten Gefühlschristentums gesehen hat. Diese Facette des erklärenden Sprechens gehört heute nicht mehr zum deutschen Wortschatz, würde aber in dieser Arbeitsteilung der Sprache dem Sprachsinn unglaublich gut tun. Machen wir eine

                        Experiment

Würde man das Wort aus der Beschreibung des Mönch am Meer herausnehmen, könnte das Bild so aussehen:


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