Samstag, 27. August 2016

Caspar David Friedrich Kalender am 28. August 2016: Im Tal der Wörter

Caspar David Friedrich: Ideale Gebirgslandschaft mit Wasserfall.
Um 1793, Sepia, Deckfarbe auf Papier, 50,1 x 69,8 cm, Essen, Privatbesitz
Joseph Wright of Derby starb am 28 August 1797 im Alter von 62 Jahren. Was hat der englische Maler mit Caspar David Friedrich zu tun?

Friedrich konnte nicht wissen, dass seine Kunstepoche einmal die der Romantik genannt würde. Gleichwohl stand am Anfang seiner Kunst der Begriff des Romantischen oder auch des Romanhaften, wie es im späten 18. Jahrhundert hieß. Vermutlich noch bevor der Maler die Akademie in Kopenhagen besuchte, entstand seine erste Landschaft mit dem Titel Ideale Gebirgslandschaft mit Wasserfall, datiert auf das Jahr 1793. 
Lange galt die Annahme, dass es sich bei der Sepia um die Darstellung des Amselfalls im Amselgrund in der Sächsischen Schweiz handelt. Heute wissen wir, diese Landschaft ist nach einem Text aus dem Buch Theorie der Gartenkunst von Christian Cay Lorenz Hirschfeld aus dem Jahr 1785 gearbeitet. Dort wird das Beispiel einer romantischen Landschaft in dem berühmten Tal von Dovedale im englischen Derbyshire beschrieben. 
Friedrich, der nie in England gewesen ist, war offenbar gefesselt von diesem Plot. Das romantische Tal zog im 18. Jahrhundert viele Künstler an, auch Joseph Wright of Derby, von dem das Gemälde Dovedale bei Mondlicht stammt. So sind wir heute in der Lage Friedrichs Bildkonstruktion aus einem Text, neben ein vor der Natur gemalten Bild und die Reallandschaft zu stellen. Später sind noch weitere Textbilder Friedrichs entstanden, wie Der Abend oder Das große Gehege

Joseph Wright of Derby: Dovedale bei Mondlicht. Um 1785, Öl auf Leinwand,
46 x 66 cm, Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud

Ausschnitt der Reallandschaft: Derbyshire, Dovedale,
Lion Rock, Foto: Old UK Photos.com

Der Text zu dem Bild Ideale Gebirgslandschaft mit Wasserfall:

Das Thal ist zwo Meilen (engl.) lang, tief und schmal; beyde Seiten bestehen aus Felsen; und die Dowe, die zwischen ihnen durchfließt, verändert beständig ihren Lauf, ihre Bewegung, ihr Ansehen. Sie ist nirgends kleiner als dreyßig, und nirgends bis sechzig Fuß breit; gemeiniglich aber ohnegefähr vier Fuß tief; , dabey aber durchsichtig bis auf den Boden, ausgenommen wo sie unterhalb den Wasserfällen, die vollkommen helle sind, mit Schaum von dem reinsten weiß bedeckt ist. Diese Wasserfälle sind sehr zahlreich, aber auch sehr verschieden. An einigen Orten gehen sie gerade, an anderen aber schief über den Fluß; und wieder an andern nehmen sie nur einen Theil von ihm ein. [...] An einem besondern Ort kommen die beiden Seiten des Thlas beynahe zusammen, so daß kaum ein Durchgang für den Fluß übrig bleibt, welcher eingeschlossen und sich einen Weg durchkämpfend tobt, brauset und schäumt, bis er sich aus seinem Kerker durchgewunden hat. [...] Die Felsen verändern durch das ganze Thal hindurch so oft ihre Gestalt, als der Fluß seinen Lauf. An einem Ort verliert sich eine breite Fläche nach und fast in eine Spitze, an einem anderen hängt ein schwerer Gipfel weit herüber, und überschattet alle unter ihm befindlichen Gegenstände, bald siehet man die verschieden Figuren unordentlich unter einander geworfen; bald sind sie in schwache und dünne gerade aufwärtssteigende Spitzen, bisweilen zwey oder drey zusammen, bisweilen in einer größeren Anzahl, zerrissen. Auf der einen Seite des Thals sind sie gänzlich kahl; auf der andern stehet hin und wieder Gehölze; und die unermeßliche Höhe von beyden Seiten, nebst dem engen Raum zwischen ihnen, vermehret die Mannigfaltigkeit. Denn so oft die Sonne hinter der einen scheinet, so bildet sich ihre Gestalt deutlich und vollkommen auf der andern; die rauhe Fläche, worauf sie fällt, verändert die Schattirung, und ein starkes gebrochenes Licht stralet oft am Rande des dunkelsten Schattens; die Felsen behalten niemals lange eben dieselbe Figur und Lage, und sind sehr weit von einander abgesondert. Bald machen sie die Seiten des Thals durch steile Anhöhen, durch Klippen und Absätze; bald scheinen sie aus dem Boden heraufzusteigen, und sich rückwärts an den Berg zu lehnen; und bald stehen sie ganz im Freyen hervor, indem sie sich in ungeheure Pfeiler aufthür­men, oder in kegelförmigen auf die hundert Fuß hohen Figuren aufschießen. Einige sind durchaus feste und dichte; andere sind gespalten; und noch andere zerschmettert und untergraben, und diese werden auf eine wunderbare Art von abgebrochenen Stücken unterstützt, die, dem Augenscheine nach, der Last, die sie tragen, nicht angemessen sind. [...] Die einzige Spur von Menschen ist ein versteckter Fußsteig, der aber nur wenig ausgetreten ist; wie er dem auch nur selten, und zwar nur von denen besucht wird, welche die Neugierde reizt, die Wunder zu sehen, die sie von Dowdale haben erzählen hören. Es scheint in der That mehr ein Aufenthalt für eingebildete Wesen zu seyn; das Ganze hat das Aussehen einer bezauberten Gegend.

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