Freitag, 25. September 2015

Caspar David Friedrich Kalender am 25. September: Die Ästhetik der lahmen Hand

Caspar David Friedrich: Berglandschaft bei Teplitz mit dem Milleschauer. 23. Sept. 1835,
 Bleistift, weiße Kreide, 12,9 x 20,5 cm, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg
Caspar David Friedrich kam Ende September 1835 von einer vierwöchigen Kur mit einem vollen Skizzenbuch aus Teplitz zurück. Der Maler hatte am 25. Juni des Jahres einen Schlaganfall, in dessen Folge seine rechte Hand teilweise gelähmt war. Während des Kuraufenthaltes versuchte er, zu einem Zeichenstil zu finden, bei dem er sich mit seinem Handicap arrangieren konnte. So entstanden Zeichnungen, deren Binnenstruktur die Ungeschicklichkeiten in der Schraffur auffangen konnte. Eines dieser typischen Blätter, die durch die Verwendung von Kreide und Bleistift einen ganz eigenen ästhetischen Reiz bekommen haben, ist die Berglandschaft bei Teplitz mit dem Milleschauer.

An seinen Neffen Heinrich schrieb der Maler:

Ich bin jetzt ziemlich gut auf den Füßn und hoffe das die Nachwirkungen des Bades auch meine Hand wieder Fähig machen werden zur Arbeit. Die ganze Badezeit hindurch [ist] das schöne Wetter gewesen und die schöne Umgebung von Teplitz und das Wenige was ich der halb lamen Hand wegen habe machen können, kann dennoch für mich wen[n] anders ich je die Fähigkeit wieder erlangen werde mahlen zu können von nutzen sein.


Milleschauer, Foto: Björn Ehrlich, CC-BY-SA-3.0

Donnerstag, 24. September 2015

Caspar David Friedrich Kalender am 24. September: Der empfindsame Büchermann

Georg Friedrich Kersting: Carl Friedrich Frommann.
1824, Öl auf Leinwand, 33.5 × 27.5 cm, Privatbesitz
Der einflussreiche Jenaer Buchhändler Carl Friedrich Frommann besucht am 24. September 1810 Caspar David Friedrich in seinem Dresdner Atelier. Dort sah er die Gemälde Mönch am Meer, die Abtei im Eichwald und der Morgen im Riesengebirge. Er war feststellbar der einzige Zeitgenosse des Malers, der dessen Werk in Demut begegnete und den Bildern eine Gültigkeit über die Zeit hinaus zubilligte. Er notierte in seinem Tagebuch: Welche Dauer werden diese feinen Ölgemälde haben? 

Caspar David Friedrich: Abtei im Eichwald. 1810, 
Öl auf Leinwand, 110,4 x 171 cm, Berlin, Nationalgalerie

Caspar David Friedrich: Der Mönch am Meer. Um 1809, 
Öl auf Leinwand, 110 x 171,5 cm, Berlin Nationalgalerie

Caspar David Friedrich: Der Morgen im Riesengebirge. 1810,
Öl auf Leinwand, 108 × 170 cm, Alte Nationalgalerie Berlin

Mittwoch, 23. September 2015

Caspar David Friedrich Kalender am 23. September: Wutbild zum Herbstanfang

Caspar David Friedrich: Hünengrab im Herbst. Um 1819, Öl auf Leinwand,
55 x 71 cm, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Galerie Neue Meister
Heute, am 23. September, ist Herbstanfang ist astronomischer Herbstanfang. Von Caspar David Friedrich existiert nur ein ausgesprochenes Herbstgemälde, das Hünengrab im Herbst, in dem der erste Herbststurm Bäume umgeknickt hat. Warum der Maler ein Hünengrab ins Zentrum des Bildes gesetzt hat, ist nicht sicher zu beantworten. Möglicherweise machte er mit dieser Bilderzählung seiner Enttäuschung Luft, einem Schwindel aufgesessen zu sein.

Mit der Darstellung von Hünengräbern reagierte Caspar David Friedrich auf den unglaublichen Hype, den der Herzog Carl II. in Mecklenburg-Strelitz veranstaltete. Die, wie sich letztlich herausstellte, gefälschten Prillwitzer Idole, machten das kleine Herzogtum in ganz Europa bekannt und zum Pilgerort archäologisch interessierter Adliger und Wissenschaftler. Auch Goethe, der die Bilder mit Friedrichs Hünengräber für die Sammlung des Weimarer Herzogs ankaufte, interessierte sich brennend für die seltsamen Artefakte, die in der Gegend um Prillwitz in scheinbar unerschöpflicher Menge ans Tageslicht befördert wurden.
Herzog Carl versuchte als Bruder der englischen Königin mittels Archäologie seinen Stammbaum aufzuwerten und ließ eine Genealogie anfertigen, die bis in die Zeit der Vandalen zurück reichen sollte. Auf dem Höhepunkt der patriotischen Archäologie in Meckenburg Strelitz fertigte Friedrich 1807 seine ersten kommentierenden Arbeiten Hünengrab am Meer und Hünengrab im Schnee. Als sich etwa 1815 führende Altertumswissenschaftler einig waren, dass die Artefakte von Prillwitz Fälschungen sind, und das Herzogtum in ganz Europa als das Land der Deppen galt, begann Friedrich das Wutbild Hünengrab im Herbst mit abschlagenen stolzen Eichen.
Die Hünengrab-Bilder sind typischerweise Kompilationen, dass heißt zusammengesetzte Reallandschaften. Allerdings verweist das Hünengrab im Schnee auf eine auffindbare Topografie, das Königsgrab auf dem Berg in Wustrow am Tollensesee. Solche Eichen wie auf dem Neubrandenburger Wall findet man da nicht, sondern verkrüppelte Windflüchter, aber auch die sind nicht 200 Jahre alt. Eine Überraschung gibt es auf dem Hügel doch. Von den Eichen aus Friedrichs-Zeiten sind unter Laub und Moos noch die drei Baumstümpfe in jener Konstellation der Friedrich-Bilder vorhanden. So kommt man mittels Archäologie in der Kunstgeschichte weiter.

Mehr zum Thema in Caspar David Friedrichs verborgene Landschaften. Die Neubrandenburger Kontexte, Kapitel 4, "Die Bäume der Ahnen", S. 280


Caspar David Friedrich: Hünengrab am Meer. 1807, Bleistift,
Sepia, 64,5 x 95 cm, Weimar, Staatliche Kunstsammlungen
Caspar David Friedrich: Hünengrab im Schnee. 1807, Öl auf Leinwand,
1,5 x 80 cm, Dresden Gemäldegalerie Neue Meister



Montag, 21. September 2015

Caspar David Friedrich Kalender am 22. September: Gefühlt Friedrich II.

Johann Friedrich Boeck: Kreidefelsen auf Rügen.
Um 1840, Öl auf Leinwand, 67 x 75 cm, Privatbesitz
Vermutlich im September 1833 wird Johann Friedrich Boeck Schüler an der Dresdner Kunstakademie. Der 1811 in Greifswald geborene Maler machte den Versuch, sich Caspar David Friedrichs Motive und Stilistik zu bemächtigen, was augenscheinlich nur unzureichend gelang. Das Gemälde Kreidefelsen auf Rügen wurde kürzlich für 16.250 Euro versteigert.

Johann Friedrich Boeck; Ostseestrand bei Vollmond.
Um 1840, Öl auf Leinwand, 31,5 x 43,5 cm, Privatbesitz 
Johann Friedrich Boeck: Greifswalder Hafen. Um 1840,
Öl auf Lenwand,41.4 × 58.6 cm , Pommersches Landesmuseum Greifswald

Caspar David Friedrich Kalender am 21. September: Herbstdepression

Caspar David Friedrich: Meeresküste bei Mondschein. 1830,
Öl auf Leinwand, 77 x 97 cm, Berlin Nationalgalerie

Im September 1829 wandte sich der Arzt und Maler Carl Gustav Carus nach gut zehnjähriger Freundschaft von Caspar David Friedrich ab. Er schrieb darüber:

Von Friedrich muss einmal ausführlich schreiben, über ihm hängt seit ein paar Jahren eine dicke trübe Wolke geistig unklarer Zustände dieweil sie ihn zu schroffen Ungerechtigkeiten gegen die Seinigen verleiten, der ich offen mich hierüber gegen ihn ausgesprochen, von ihm ganz abgelöst haben.

Friedrich litt einen großen Teil seines Lebens unter depressiven Schüben, die sich im September mit dem Eintritt in die dunklere Jahreszeit verstärkten. Über die Ursachen kann man nur spekulieren. Am wahrscheinlichsten ist dafür ein erheblicher Selbstwertkonflikt verantwortlich, den der Maler mit sich herum trug. An dem Gemälde Meeresküste mit Mondschein hat Friedrich sehr wahrscheinlich  im September 1829 in seinem Dresdner Atelier gearbeitet.

Sonntag, 20. September 2015

Caspar David Friedrich Kalender am 20. September: Der junge Epigone

Albert Zimmermann: Walpurgisnacht (Aus Goethes Faust), vor 1866

August Albert Zimmermann wurde am 20. September 1808 in Zittau geboren. In seiner Jugend interessierte er sich für die Landschaftsmalerei und bildete sich autodidaktisch aus und ging 1830 nach Dresden, um seinem Vorbild Caspar David Friedrich nahe zu sein. Von Dresden aus machte er in der sächsischen Schweiz und im böhmischen Erzgebirge Studien. Zimmermanns Landschaften ragten nicht über das Schaffen der Landschaftsmaler seiner Generation hinaus, aber lud wie Friedrich das Sujet mit romantischen Bilderzählungen auf, wie in dem Gemälde zu Goethes Faust-Szene auf dem Blocksberg.

Samstag, 19. September 2015

Caspar David Friedrich Kalender am 19. September: Beleuchtete Traumstadt

Caspar David Friedrich: Gebirgige Flusslandschaft. Beleuchtete Nachtseite, 1830/35,
Transparentmalerei, 76 x 130 cm, Kassel, Staatliche Kunstsammlungen
Diese Bild könnt die Stimmung eines Septemberabends einfangen. Die sonst in Bildpaaren dargestellte Tageszeiten- und Lebensalterthematik vereinigt Caspar David Friedrich hier durch eine doppelseitige Bemalung eines Bildes. Auf der Seite der Morgenstimmung gleiten Menschen in einem Kahn der nebeligen Morgensonne entgegen. Die Nachtszene zeigt das selbe Motiv und macht im Hintergrund eine Stadt mit Türmen sichtbar, vom Licht des Vollmondes beschienen, zwischen beidseitig ansteigenden Gebirgszügen. Hinter das Transparentbild musste eine Kerze zur Beleuchtung gestellt werden.

Friedrich hatte die Silhoutten der Stadt Neubrandenburg mit der Marienkirche im Zentrum in mehreren Bildern gotisch idealisiert. Hier treibt der Maler diese Idealisierung noch weiter am Ende des Tollensesees vom Südende her gesehen, einschließlich der Darstellung der umgebenden Hügellandschaft als Gebirge. Die heutige Landbrücke bei Nonnenhof war um 1800 durch einen erhöhten Wasserstand des Sees im Frühjahr und im Herbst nur noch als zwei charakteristische Inseln zu sehen.

Caspar David Friedrich: Gebirgige Flusslandschaft. Tagseite,1830/35,
Transparentmalerei, 76 x 130 cm, Kassel, Staatliche Kunstsammlungen