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Caspar David Friedrich: Hünengrab im Herbst. Um 1819, Öl auf Leinwand, 55 x 71 cm, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Galerie Neue Meister |
Heute, am
23. September, ist
Herbstanfang ist astronomischer Herbstanfang. Von
Caspar David Friedrich existiert nur ein ausgesprochenes Herbstgemälde, das
Hünengrab im Herbst, in dem der erste Herbststurm Bäume umgeknickt hat. Warum der Maler ein Hünengrab ins Zentrum des Bildes gesetzt hat, ist nicht sicher zu beantworten. Möglicherweise machte er mit dieser Bilderzählung seiner Enttäuschung Luft, einem Schwindel aufgesessen zu sein.
Mit der Darstellung von Hünengräbern reagierte Caspar David Friedrich auf den unglaublichen Hype, den der
Herzog Carl II. in
Mecklenburg-Strelitz veranstaltete. Die, wie sich letztlich herausstellte, gefälschten
Prillwitzer Idole, machten das kleine Herzogtum in ganz Europa bekannt und zum Pilgerort archäologisch interessierter Adliger und Wissenschaftler. Auch
Goethe, der die Bilder mit Friedrichs Hünengräber für die Sammlung des
Weimarer Herzogs ankaufte, interessierte sich brennend für die seltsamen Artefakte, die in der Gegend um
Prillwitz in scheinbar unerschöpflicher Menge ans Tageslicht befördert wurden.
Herzog Carl versuchte als Bruder der englischen Königin mittels Archäologie seinen Stammbaum aufzuwerten und ließ eine Genealogie anfertigen, die bis in die Zeit der
Vandalen zurück reichen sollte. Auf dem Höhepunkt der patriotischen Archäologie in Meckenburg Strelitz fertigte Friedrich 1807 seine ersten kommentierenden Arbeiten
Hünengrab am Meer und
Hünengrab im Schnee. Als sich etwa 1815 führende Altertumswissenschaftler einig waren, dass die Artefakte von Prillwitz Fälschungen sind, und das Herzogtum in ganz Europa als das Land der Deppen galt, begann Friedrich das Wutbild
Hünengrab im Herbst mit abschlagenen stolzen Eichen.
Die Hünengrab-Bilder sind typischerweise Kompilationen, dass heißt zusammengesetzte Reallandschaften. Allerdings verweist das Hünengrab im Schnee auf eine auffindbare Topografie, das Königsgrab auf dem Berg in
Wustrow am
Tollensesee. Solche Eichen wie auf dem
Neubrandenburger Wall findet man da nicht, sondern verkrüppelte Windflüchter, aber auch die sind nicht 200 Jahre alt. Eine Überraschung gibt es auf dem Hügel doch. Von den Eichen aus Friedrichs-Zeiten sind unter Laub und Moos noch die drei Baumstümpfe in jener Konstellation der Friedrich-Bilder vorhanden. So kommt man mittels Archäologie in der Kunstgeschichte weiter.
Mehr zum Thema in Caspar David Friedrichs verborgene Landschaften. Die Neubrandenburger Kontexte, Kapitel 4, "Die Bäume der Ahnen", S. 280
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Caspar David Friedrich: Hünengrab am Meer. 1807, Bleistift, Sepia, 64,5 x 95 cm, Weimar, Staatliche Kunstsammlungen |
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Caspar David Friedrich: Hünengrab im Schnee. 1807, Öl auf Leinwand, 1,5 x 80 cm, Dresden Gemäldegalerie Neue Meister |